"Klang/Werk": Museumspädagogische Veranstaltungen im Kunsthaus


In fast 20 Veranstaltungen mit Schulklassen, Kinder- und Erwachsenengruppen, geleitet von einer Museumspädagogin und einem Musiker/einer Musikerin, wurde zwischen November 2004 und Februar 2005 der Verbindung zwischen Klang und bildnerischem Werk nachgegangen.

Die Zusammenarbeit der Leitenden und die Interaktion mit den Teilnehmenden war äusserst belebend und spontan.

Von Seiten der Museumspädagogik waren Franziska Dürr (Projektleitung), Katrin Näf, Ursina Spescha, Vera Fischer, Nicole Schwarz und Regula Benz beteiligt, als MusikerInnen Ruedi Debrunner (Projektleitung), Cristina Amato, Rafael Baier, Reto Anneler, Stefan Keller, Marco Käppeli und Hannes Giger.

Vielen der Veranstaltungen diente folgendes Raster als Grundbaustein:

Aufwärmen, Atelier:   
Bilder, die vergehen, wie die Musik: Kinder zeichnen in die Luft musikalische Motive, die sie hören: Punkte, Linien, Kreise, hinauf, hinab, wirr, geordnet...

Einstieg in der Sammlung:
Hans Richter, Cello 1914
MusikerIn spielt 3 Stücke, die zu diesem Bild einen Bezug haben: welchen?

Rätsel, Raum 3:
MusikerIn schliesst Augen und spielt, Kinder schauen umher: Zu welchem Bild passt die Musik? Weshalb?

Wunschkonzert, Raum 3:
Ein Kind kann ein Bild wünschen, zu dem es Musik hören will.

Gruppenimprovisation:
Was fällt dir auf dem Bild auf?
Welchen Klang kannst du dem geben?
Wem ist etwas anderes aufgefallen?
Wie könnte das tönen?
Improvisation: Die verschiedenen Klänge + Instrument

Vertiefung, Raum 2
Hans Richter, Orchestration der Farben
Kinder legen auf den Boden ihre eigene Anordnung der Farben.
MusikerIn spielt zu den verschiedenen Anordnungen, doch zuerst:
Wie tönt überhaupt das grosse rote Viereck? Drei Klangvorschläge
Und das kleine grüne?
Klangvorschläge à Umsetzung der gelegten Muster, z.T. chorisch improvisiert

Malen, Atelier:
Malen zu Musik
Musikalisch Bezug nehmen zu einem Bild, während Kinder weitermalen.

Schlussrunde
Eigene Bilder anschauen
Feedback

Was sich aus den spontanen Reaktionen der Kinder/Erwachsenen dann tatsächlich ergab, ist so vielfältig, dass es nicht zusammenzufassen ist. Auf alle Fälle wird manchem in Zukunft beim Gang durch die Sammlung vor verschiedenen Bildern eine Klangerinnerung einfallen, oder ein Farbtupfer auf einem Gemälde wird als liebgewonnenes Detail hervorstechen, oder die weissen Wände werden wahrgenommen, die sich wie Pausen zwischen den Bildern ausbreiten.


Neuland

Donnerstag, 13. Januar 2005
Kultur & Kongresshaus Aarau, Saal 2


Charlotte Hug, Bratsche, Elektronik
Beat Suter, Licht

Der Saal 2 im Kultur und- Kongresshaus Aarau verwandelte sich unter der hervorragenden Lichtregie des hauseigenen Technikers Beat Suter zu einem geheimnisvollen, sehr dunklen Raum. „Neuland“ ist inspiriert vom unterirdischen "House of Detention" in London, von Räumen, die früher als Gefängnis, im 1. Weltkrieg als Schutzraum verwendet wurden.

Drei Kreise leuchten am Boden – schwimmende Partituren in einem flachen runden Metallgefäss und zwei weisse Holzscheiben. Sie werden Charlotte Hug mithilfe von einfacher, aber virtuos gehandhabter Elektronik, den verschiedenen selbstentwickelten Bögen und allen Teilen ihrer wertvollen alten Bratsche zu "Geräusch-Partnern", genauso wie die Wände des Saals.

Vielleicht hat einige Aarauer die Befürchtung vom Konzertbesuch abgehalten, es könnte bei jemandem, der sich so sehr spezialisiert in seiner Technik, nur die stupende Technik wie bei einem Zirkusartisten zu bewundern sein. Die Anwesenden erleben etwas ganz anderes, emotional packendes:

Nachvollziehbare Stimmungen, die vom Sichzurückziehen vor der Überfülle des äusseren Lebens ausgehen, ins Eingesperrtfühlen kippen und zu einem gewaltigen Ausbruch und keimender Hoffnung führen.

Ein vielschichtiger Klangfluss entsteht, präzis und hochmusikalisch auch im Geräuschhaften, der völlig in seinen Bann zieht.

Es scheint, Charlotte Hug IST ihre Musik. Die blonde Mähne, die präzisen, fliessenden Bewegungen sind zwingende Teile eines Gesamtkunstwerks.

Man merkt dem Publikum an, dass es sich nach der Vorstellung erst aus diesem Bann befreien muss, doch dann bleibt es noch lange, untersucht alle Klangerzeuger und stellt Fragen an die Künstlerin, die sich für alle Erklärungen liebenswürdig und ausführlich Zeit nimmt.

Als Eröffnung der Reihe "Klang und Bild" haben wir dieses Konzert inhaltlich passend gewählt – sein Untertitel "Eine Suche nach Form und Identität" weist auf die zukünftigen Konzerte, die Partituren sind von Charlotte Hug gezeichnete Bilder, das Werk ist ohne sie als Bild nicht vorstellbar.


Musik sehen

Freitag, 14. Januar 2005
Kultur & Kongresshaus Aarau, Saal 2



Patricia Draeger und Sergej Simbirev, Akkordeon
Franziska Kunz und Moritz Suter, bildnerisches Gestalten

 Die Grundidee dieses Programmes war folgende: Einem im grossen Ganzen feststehenden Musikprogramm soll mit gestalterischen Mitteln im Moment der Aufführung ein visuelles Pendant geschaffen werden.

Für den gestalterischen Teil konnten wir Franziska Kunz und Moritz Suter, beide Maturschüler im Schwerpunktfach „Bildnerisches Gestalten“ der Neuen Kantonsschule Aarau, gewinnen und begeistern, für den musikalischen Teil das Akkordeonduo Patricia Draeger und Sergej Simbirev.

Nachdem die bildnerischen Künstler einige Aufnahmen der Akkordeonmusik gehört hatten, legten sie einen Ablauf des Programmes fest, in dem es um die Schöpfung der Welt/des Kunstwerks, um die Entdeckung des Schattens, der Farbe, der eigenen Person und des andern ging. Die Musiker reagierten wiederum auf dieses Programm, fügten neue Stücke ein oder verlängerten bestehende durch Improvisationen. Unvergesslich sind dabei die expressiven Tangoimprovisationen über Stücke von Astor Piazolla.

Vor einem voll besetzten Saal spielte sich das Programm in einem grossen Bogen ab, angefangen mit Schreibmaschinengeklapper eines Schöpferwesens, das über Akkordeontastengeräusche aus dem Hintergrund des Saales über einzelne Pfeifgeräusche in Ljadovs "Schnupftabakdose" mündete. Über spanische Tänze von Moszkowski wuchsen Musik und Bild simultan an und mündeten in ekstatische 7/8-Tänze aus Osteuropa, die vom Akkordeonduo mit viel Feuer und Musizierlust vorgetragen wurde. Dazu inszenierten die Künstler, die in weisser Unterwäsche vor weisser Leinwand angefangen hatten, auf der Bühne Farbenfest und Farbenkampf bis zur Erschöpfung. Musikalische und bildnerische Entwicklung waren in den grossen Zügen parallel, sodass der Bezug immer vorhanden war, ohne dass er sich aber in Details ermüdete.

Das Programm wurde sowohl von Erwachsenen, als auch von Jugendlichen und Kindern begeistert aufgenommen.


Im Vorraum der Bilder
Freitag, 21. Januar 2005
Foyer des Aargauer Kunsthauses


Michael Omlin, Lichtinstallation
Stefan Keller, Flöte

Passanten, welche die Aussentreppe zum Dach des Kunsthauses hochsteigen, nehmen das Kunsthaus-Foyer als eine Art Guckkasten wahr. Es präsentiert sich als tiefer, heller Raum, gleichzeitig ist es Behälter von Erwartungen: Wir machen uns Bilder von dem, was wir dahinter sehen werden.

Der Gong gab den beiden Künstlern Michael Omlin und Stefan Keller die Aufgabe, das Foyer des Kunsthauses zu bespielen. Ein Wagnis, denn die beiden Künstler haben zuvor noch keine gemeinsamen Projekte realisiert. Beide sind jedoch erfahren im Umgang mit Kunst und Raum. Wir konnten den beiden mit dem Foyer einen "Behälter von Erwartungen" geben, einen architektonisch spannenden Raum, den sie füllen konnten.

Michael Omlin tat dies mit dezenten Lichtquellen, die in langsamen Übergängen das Bewusstsein der Zuschauer an einzelne Orte im Raum wandern und dort verweilen liess. Dabei liess er sich immer vom Raum leiten, von Fluchtpunkten und Flächen, natürlichen und künstlichen Lichtquellen. Etwa in der Mitte des Abends öffnete er die Storen der Fensterwand und erweiterte dadurch den Raum auch zur Strasse und deren Lichter hin.

 Stefan Keller nutzte den Raum für lange Gänge, begann unsichtbar im unteren Stock der Sammlung, tauchte auf, spielte sich virtuos durch den Raum. Die Elektronik ermöglichte ihm ebenfalls eine räumliche Klanggestaltung. Mit einem Vierpunkt- Lautsprechersystem, vor und hinter den Zuschauern platziert, durch das er elektronisch verfremdete Flötenklänge und Geräusche verstärkte, erfand er sich einen Raum im Raum. Ein Computerprogramm zur Umwandlung von Tönen in Bilder liess ihn die Decke mit Klängen "bemalen".

Die beiden Künstler fanden je für sich selber ein stimmiges Konzept, mit dem Raum umzugehen. Im Laufe des Abends wurde aber auch immer deutlicher, dass die beiden eine sehr unterschiedliche künstlerische Auffassung haben. Es blieb also ein Wagnis, ein Wagnis für den es einen Veranstalter wie den Gong braucht.


Klingende Bilder

Sonntag, 23. Januar 2005
Aargauer Kunsthaus


Marianne Schuppe, Stimme
Rafael Baier, Saxophon
Ruedi Debrunner, Klarinette
Marco Käppeli, Perkussion
Hannes Giger, Kontrabass

Klänge im Kunsthaus – manche Töne erobern das ganze Haus, manche sind nicht zu orten: kommen sie von oben oder von unten? Den ganzen Sonntag wechseln sich die fünf Musiker ab beim Bespielen der Räume.

 Der Perkussionist Marco Käppeli zum Beispiel fühlt sich in der Sammlung im ersten Stock nicht so wohl, dafür baut er im Untergeschoss zur Arme schlenkernden "Bascule" von Jean Tinguely eine umso innigere Beziehung auf.

Marianne Schuppe wiederum ist am intensivsten erlebbar vor den Malern vom Anfang des 20. Jahrhunderts: da ist Noldes Stilleben mit einer japanischen Figur und Schuppe besingt die Gegenstände in einer Art Japanisch, sowohl in der Sprache als auch den Tönen, wechselt zu einer anderen Kunstsprache, die französisch klingt für die "Femme au châle jaune" von Vallotton. Eigentlich noch ein Mädchen, geschmückt nur mit ihrer Frische und dem wertvoll schimmernden gelben Schal schaut sie uns naiv gespannt entgegen. Marianne Schuppe scheint die Erwartungen der jungen Frau an die Zukunft samt ihrem ganzen Leben mit seinen Enttäuschungen zu kennen. Sie transponiert ihr Leben aus dem Zweidimensionalen des Bildes in einen vieldimensionalen Raum und die junge Frau ist uns keine Fremde mehr.

Es nähert sich Rafael Baier mit dem Saxophon, das Fragen einwirft, in einen Dialog mit der Stimme gerät und sich wieder entfernt. So entstehen zwischen allen Musikern Zwiegespräche, die ihren Anfang in Impulsen vonseiten der Bilder nehmen.

 Dass es immer um die Bilder geht, zeigt auch, dass keinem Musiker eine Menschentraube folgt. Es sind viele Menschen im Haus, ihre Reaktionen – aufmerken, lächeln, sich mit dem Begleiter, der Begleiterin austauschen - lassen darauf schliessen, dass sie sich gerne von den Musikern beschenken lassen mit vertiefenden Einsichten zu den betrachteten Werken.

Am Abend am gemeinsamen Konzert stehen die Musiker stärker im Vordergrund, treibt sie die gemeinsame Improvisation auch stärker weg von den Bildern. Aber auch da spalten sich Gruppen ab, erproben zum Beispiel drei Musiker den Klang im Aufzug und der Treppenhaus-Architektur, während zwei in einem grafischen Kabinett ein musikalisches tête à tête zelebrieren.

Das Kunsthaus ist nie beliebiger, "malerischer" Hintergrund für Musik, seine Räume und Werke sind  der Anlass der Musik.


Art Wolf

Freitag, 4. März 2005
Einführung: Aargauer Kunsthaus
Konzert: Kultur & Kongresshaus Aarau, Saal 2


Mit dem "Art Wolf"-Abend wurde die Reihe "Klang und Bild" ergänzt durch Kompositionen, die ausgehend von den Gebirgsmalereien von Caspar Wolf (1735-1783) eine eher inhaltliche Beziehung zum Bild suchten.

Zur Wiedereröffnung im Herbst 2003 hatte das Aargauer Kunsthaus die beiden Musiker Mike und Kate Westbrook mit einer Komposition zu Caspar Wolf beauftragt.

Im Rahmen der Ausstellung "Wolkenbilder" und anlässlich der CD-Taufe "Art Wolf", wurde das Konzert am 4. März nun wieder aufgenommen.

Im ersten Stock des Kunsthauses, vor den Bildern von Caspar Wolf fand eine kurze Einführung ins Konzert statt, in deren Anschluss die Besucher die Möglichkeit hatten, vor dem Konzert die Ausstellung anzuschauen.
Das Konzert fand dann im Saal 2 des KuK Aarau statt.

Der engste Bezug zu den Bildern Wolfs, die gross an die Wand projiziert wurden, bestand in den Texten, welche von Kate Westbrook gedichtet und von ihr gesungen oder rezitiert wurden. Zum Teil wurden sie sowohl in der englischen Originalversion als auch in einer deutschen Übersetzung vorgetragen, wobei der musikalische Vortrag in den beiden Sprachen sehr unterschiedlich war. Am besten zur Geltung kam Kate Westbrooks Stimme in den Rezitationen und in Liedern, die sie in cabaretähnlicher Art sehr prononciert und dramatisch vortrug. Während Mike Westbrook das Ensemble mit diskreten Begleitungen zusammenhielt, verblüfften die Saxophonisten Chris Biscoe und Peter Whyman mit phantasievollen, virtuosen und frechen Soli.


Bericht in der Mittellandzeitung, Aargauer Kultur
18. Januar 2005
Stefan Thomas


Unter dem Motto „Klang und Bild“ präsentiert die Aarauer Konzertreihe "GONG“ einen Zyklus von Veranstaltungen, die Auge und Ohr zugleich ansprechen. Besonders farbig ging es am Freitag im Kongresshaus zu.

Dass etwas Aussergewöhnliches bevorstand, ahnte man schon beim Betreten des Saals 2. Podium und Rückwand waren weiss grundiert; im Vordergrund ein ebenfalls weisses Objekt – ein Baum vielleicht oder eher ein Spiegel? Die beiden Protagonisten in weisser Unterwäsche, die Frau auf der Bühne, der Mann davor, an einer mechanischen Schreibmaschine, Inspiration suchend. Geistreich dann der Einstieg in die Musik: das Klappern der Schreibmaschine erhält behutsam ein Echo aus dem Hintergrund des Saales. Eine zweite Schreibmaschine? Computertasten? Nein, es sind Tastengeräusche eines Akkordeons, die allmählich in Töne übergehen.

Die Entdeckung der Farbe
Das Akkordeonduo Patricia Draeger und Sergej Simbirev geht vorne in Position, die beiden prägen den Abend mit ihrer hervorragenden Technik und einer perfekten kammermusikalischen Abstimmung. Die Bühne selber gehört dem Duo Kunz & Suter, „Bildnerische Aktivisten“ nennen sich die beiden Gymnasiasten mit Schwerpunktfach Bildnerisches Gestalten. Inmitten der Landschaft aus unschuldigem Weiss entdecken die beiden ihre Umwelt, die Farbe, zuerst die eigene, dann jene des anderen und schliesslich unvermeidlicherweise auch einander. Die Frau zieht obsessiv ihre Kreise auf der Wand, der Mann ist eher der Typus des suchenden Experimentierers. Allmählich entstehen an der Wand Hieroglyphen, die Farbe fliesst reicher. Man denkt an Jackson Pollock, aber auch an Body -Painting. Die Farbe gelb kommt neu ins Spiel und verheisst sonnige Wärme, kann sich aber gegen das dominierende Rot und Blau nur schwer durchsetzen.

Tango-Allüren und Beziehungskrisen
Um auch an die entlegenen Bezirke der Wand heranzukommen, benützt die Frau den Mann als Reitpferd. Die Akkordeonisten, deren Musik zunächst recht unverbunden neben der Aktion auf der Bühne stand, greifen nun aktiver ins Geschehen ein. Die Klangwelt des 19. Jahrhunderts weicht Astor Piazolla, und sofort entwickeln die beiden Performer Tango-Allüren. Bald steigt die Beziehungskrise. Versöhnlich immerhin der Ausgang: Mann und Frau sitzen Schulter an Schulter auf dem Podium und betrachten ihr Werk wie ein verliebtes Paar den Sonnenuntergang.

(...)Ein Kaleidoskop von Veranstaltungen, die versprechen, durch akustische Eindrücke den Blick zu schärfen - und durch optische das Ohr. Am Freitagabend wurde dieses Versprechen auf alle Fälle eingelöst.